Hatten wir vor den Partien gegen die drei Bundesligisten, die wir in den Runden zuvor rausgekegelt hatten, immer an unsere kleine Chance inklusive Almvorteil geglaubt, so war man doch gegen die „Ungeschlagen Meister“-Pillen aus Leverkusen einigermaßen sicher, dass es eine Klatsche geben würde. Wie vor 10 Jahren, als die Gebrauchtwagenhändler aus Wolfsburg auch keinen Spaß verstanden. Zwar hatten einige von uns nach Beobachtung des letzten Bundesligaspiels von LEV in der Bayarena gegen Bochum festgestellt, dass der „Zauber und die Leichtigkeit“ der Meistersaison aktuell fehlen würde, vor allem ohne Flo Wirtz. Trotzdem waren die meisten sicher, dass im Halbfinale Endstation sein sollte. Auch wenn ich mich im WDR2 Interview am Spieltach zu einem inoffiziellen Tipp hinreißen ließ: „Ausgleich Kersken in 90.+3 und Kania macht den entscheidenden Elfer mit Paneka.“
Einigermaßen entspannt fand sich 90plus3 schon am Nachmittag bei herrlichsten Wetter auf dem Siggi ein und genoss das Halbfinale in vollen Zügen.

Und immer schwang in den Gesprächen das „Aber wenn doch!“ mit, und das sorgte jedes Mal für einen wohligen Schauer bei dem Gedanken an ein Finale in Berlin mit Arminia.

Auf der Alm und im Block angekommen, wich der Zweifel immer mehr der Euphorie.

Einfach das Spiel genießen, dem Kampf annehmen, dagegen halten, Alles geben….
17. Minute 1:0 für die Pillen. Aus die Maus, gibt doch ne Packung. Wie konnte man nur so naiv sein? Hallo? Wir sind Drittligist! Und die Double-Gewinner mit ner 600 Mio. Euro Truppe. Ich behaupte, alle Kader von Arminia seit 1905 zusammen gezählt kommen nicht auf diese Summe! (Kann gerne mal einEr nachrechnen).
Was dann folgte war der unglaublichste, surrealste Spielverlauf, den die meisten Arminen in Ihrem Fanleben jemals erlebt haben, mehr noch: sich in den kühnsten schwarz-weiß-feucht-blauen Träumen jemals sich gewagt hätten auszudenken. Unsere Jungs spielten Leverkusen an die Wand. Machten postwendend das 1:1 („ja, ja, Ehrentreffer“) und direkt mit dem Pausenpfiff sogar das 2:1 („ in der zweiten Halbzeit machen die ernst“). Aber irgendwie spürte das Stadion, dass heute, dass dieses Mal vielleicht doch alles ganz anders laufen könnte als in den Halbfinals davor. Und so war es: zum Anpfiff der 2. Halbzeit erhob sich die komplette Haupttribüne von Ihren Sitzen und blieb bis zum Schlusspfiff stehen. Von der Süd kam richtig Druck und unser viel beneideter („drei helle Silben, perfekt“) Kampfschrei „BIE-LE-FELD!!! BIE-LE-FELD!!!“ schallte auf hoher Rotation in einer Lautstärke über die Alm, an der selbst Lemmy seine wahre Freude gehabt hätte.
2:1 zur HZ…

Der Schlusspfiff ließ Tränen kullern, Kehlen heiser werden und Augen – weit aufgerissen – ungläubig staunen.

„Berlin! Berlin! Wir fahren nach Berlin!“
Und die Pillen wurden tröstend mit der Erkenntnis entlassen, dass man gegen Arminia mal verlieren kann.
Viele 90plus3er fanden sich im „Heimat + Hafen“ ein und konnten sich das Erlebte auch nicht realer trinken. Umarmungen, gegenseitige Liebkosungen, immer wieder „Berlin! Berlin!“ oder sogar „Europapokaaaal!“ (nicht ironiefrei) prägten die Szenerie. Daniel und ich machten uns dann gegen 1:30h noch auf ins Café.
Auf dem Jahnplatz war Partystimmung vom Feinsten. Drinnen war die Hölle los. Alle Spieler und die komplette Geschäftsstelle auf der Galerie, auf dem Dancefloor ein Meer aus schwarz weiß blauem Endorphin. Ich traf Nico aus Darmstadt wieder, den ich kurz beim Einchecken in unserem Hotel kennen gelernt hatte. Wie umarmten uns und ich nahm ihn als 100. Mitglied bei 90plus3 auf.



Um 4:00h fiel ich noch immer voll mit Adrenalin ins Bett, beantwortete noch ein paar Glückwunsch WhatsApps und schlief schlecht ganze 3 Stunden. Als hätte ich schon geahnt, was mich am nächsten Tag so alles beschäftigen würde…
WDR2 wollte nochmal wissen, wie es uns ergangen ist. Ja, und dann war da auch noch Sky News:
Jetzt fahren wir wirklich nach Berlin! Und wieder sind wir natürlich der Underdog, haben Null Erfahrung mit großen Schüsseln mit Tartanbahn, werden höchstwahrscheinlich den Kürzeren ziehen. Aber wir werden es genießen! Halb Bielefeld wird in der Hauptstadt sein und den ganzen Tag den Moment und das Erlebnis feiern. Und wie auch vor dem Halbfinale wird es jedesmal kribbeln: dieser wohlige Schauer jedesmal bei dem Gedanken: „Aber wenn doch…“.
EUROPAPOKAAAAAAAL!!!
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